Denn die damit verbundenen Folgen sind spür- und messbar. Der Schlaf verbessert sich, der Blutdruck sinkt auf gesündere Werte, die Konzentrationsfähigkeit und das Leistungsvermögen nehmen wieder zu. Auch das Krebsrisiko kann gesenkt werden. Was aber kann man unternehmen, wenn es nicht mehr gelingt, das eigene Trinken zu beenden? Wenn die eigene Kontrolle über den Konsum verloren gegangen ist? Die Fachstelle Sucht der Diakonie Dortmund bietet Beratung bei Alkoholabhängigkeit und Gefährdung an. Darüber hinaus werden Menschen bei bestehender Abhängigkeit im Rahmen der medizinischen ambulanten Rehabilitation behandelt. Wöchentliche Sitzungen statt langer Klinikaufenthalte ermöglichen es, die Sucht zu bewältigen und gleichzeitig im Alltag den vielfältigen Anforderungen und Verpflichtungen im Beruf nachkommen zu können. Auch das Familienleben profitiert von den positiven Auswirkungen der Behandlung. Warum dieses Angebot wichtig ist, berichten zwei Dortmunder Rehabilitanden mit ganz unterschiedlichem Hintergrund:
Vier kurze Worte, sicherlich ein paar Jahre zu spät und auch nur ganz, ganz leise ausgesprochen, trafen Herrn P. (51) trotzdem mit so viel Kraft, dass er sein Leben sofort änderte: „Du trinkst Dich tot!“, sagte ihm ein befreundeter Arzt vertraulich ins Gesicht und das saß. Nur elf Monate später sitzt Herr P., von Beruf Anwalt, in der Fachstelle Sucht der Diakonie im Kaiserviertel. Er ist inzwischen schon weit gekommen auf dem Weg zurück in ein gesundes und selbstbestimmtes Leben ohne Alkohol. Vorbei die Jahre im Dauerpegel, tagsüber funktionieren, selbst in der eigenen Kanzlei stets Nachschub in der Schublade. Nachts aufstehen und Schnaps trinken. Dabei führt er aus, seine selbstständige Arbeit nicht vernachlässigt zu haben. Allerdings dafür umso mehr seine Familie: Frau und Tochter haben sich im Laufe der Jahre mehr und mehr von ihm zurückgezogen. „Ich war in einer Spirale, die mich beinahe mein gesamtes Erwachsenenleben nicht losgelassen hat. Jetzt habe ich es geschafft und freue mich, dass das Thema Alkohol hinter mir liegt“, sagt Herr P. heute. Er weiß: „Jeder, der trinkt, schüttet irgendwas zu.“
„Was Herrn P. viele Jahre Abhängigkeit gekostet haben, bis das eindringliche Signal ankam, dass er aufhören muss, geht bei manchen viel schneller“, erklärt Frank Schlaak, Leiter der Fachstelle Sucht der Diakonie. Ein Beispiel dafür ist Herr F., 28 Jahre: „Der Alkohol und ich haben einen Raketenstart hingelegt. Ab und zu getrunken habe ich seit ich sechs Jahre alt bin, doch richtig Fahrt aufgenommen hat die Sucht erst Jahre später im Homeoffice, als ich Schnaps getrunken habe“, erklärt der junge Immobilienkaufmann. Sein Weg war ein Stück weit vorbestimmt: nachdem seine Eltern an den Folgen ihrer Alkoholabhängigkeit verstorben waren, kam er über das Jugendamt in eine Pflegefamilie, die ebenfalls durch Alkoholkonsum belastet war. „Der Alkohol war einfach von Anfang an ein Teil meines Lebens und jeden Tag da“, erklärt Herr F. Beruflicher Druck wurde mit einer Steigerung des Alkoholkonsums versucht zu kompensieren. Dann ging es schnell: „Ich habe Gott sei Dank schon nach neun Monaten oder so die Kurve gekriegt. In dieser Zeit habe ich allerdings genug für mehr als ein Leben getrunken.“ Für ihn begann der Ausstieg mit einer Entgiftung: „Ich habe es erst allein versucht, aber nach einer Woche habe ich einen Krampfanfall bekommen, der mich beinahe umgebracht hätte.“ Frank Schlaak erklärt: „Ein Entzug sollte unter ärztlicher Aufsicht stattfinden, verbunden mit der Gabe von Medikamenten bei körperlichen Entzugserscheinungen, die lebensbedrohlich werden können.“ In der stationären Entzugsbehandlung entschied sich Herr F. für eine Therapie.
Herr P. entschied sich Ende letzten Jahres sofort für diese Variante und entgiftete ebenfalls für drei Wochen in einer Klinik: „Ich brauchte diese aseptische Umgebung, hier konnte ich als Trinker reingehen und kam dann als anderer Mensch wieder heraus.“ Trotzdem war ihm klar, dass es mit körperlicher Entgiftung allein nicht getan ist und er weitere fachliche Unterstützung benötigt. Die Entscheidung zur Abstinenz liegt für beide nun elf Monate zurück. Gedanken an Alkohol kommen und gehen, doch die Ambulante Reha bietet viele Möglichkeiten, sich gegenseitig aufzubauen. „Es gibt Situationen in der Rehabilitationsgruppe, da sieht man jemandem an, dass etwas nicht gut läuft. Eine Woche später berichtet diese Person dann von einem Rückfall. Wir versuchen, uns gegenseitig zu stärken“, so Herr F. und sein Kollege aus der Reha, Herr P., unterstützt: „Am Anfang träumte ich oft von Alkohol und wachte dann mit einem Schuldgefühl auf. Dann war ich erleichtert, dass nichts passiert ist. In den Gruppen hier kann ich offen reden, alles abladen. Das ist extrem befreiend.“ Seine sozialen Kontakte haben auch wieder einen anderen Stellenwert bekommen, vor allem im Hinblick auf die Familie. Einrichtungsleiter Frank Schlaak, unterstreicht den Wert der Gruppenangebote und den damit verbundenen vertraulichen Rahmen: „Alle Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht. Auch deswegen können die Teilnehmenden offen und vertraulich sprechen. Die Aussicht auf die nächste Sitzung ist für viele ein wichtiger Anker. Die Teilnehmenden verspüren ein wachsendes Verbindlichkeitsgefühl und erleben den Austausch in der Gruppe als hilfreich und unterstützend.“
Rund 2 Millionen Menschen in NRW haben ein Alkoholproblem, 400.000 von ihnen gelten laut Gesundheitsministerium als abhängig. In Dortmund sind es gut 25.000 Menschen, die alkoholabhängig sind oder zumindest in gesundheitsschädlicher Weise trinken. „Trotzdem ist die ambulante Suchthilfe in unserer Region nicht auskömmlich finanziert“, weist Frank Schlaak auf die nichtzufrieden stellende Finanzierung der Suchthilfe hin. Der Weg zur Suchtberatung ist häufig kein leichter, weil Scham eine große Rolle spielt. Herr P. sagt, was ihm geholfen hat, diesen Schritt zu gehen und weitere folgen zu lassen: „Der erste Kontakt am Telefon zur Diakonie Suchtberatung war schon sehr freundlich, so dass ich schnell ein gutes Gefühl hatte. Dies hat sich im persönlichen Erstgespräch und in der Motivationsgruppe bestätigt. Die Reha führt das fort.“
Übrigens: das Alkoholfasten macht aus gesundheitlichen Gründen immer Sinn, es muss nicht zwangsläufig zu Jahresbeginn stattfinden, sondern lässt sich so oft durchführen, wie man es möchte.
*Die Namen der Rehabilitanden wurden geändert.
Hintergrund: Die Diakonie Fachstelle Sucht in Dortmund
Als eine Suchtberatungsstelle wendet sich die Diakone Fachstelle Sucht an Menschen, die sich über ihren Alkoholkonsum Gedanken machen oder einen problematischen Konsum betreiben. Manchmal sind es auch Anstöße von Dritten, die zu einem Besuch unserer Beratungsstelle führen. Sie ist häufig erste Anlaufstelle bei suchtmittelbezogenen Problemen und kooperiert mit vielen Partnern innerhalb und außerhalb der Suchthilfe. Darüber hinaus behandelt die Beratungsstelle seit 1999 auch Menschen bei bestehender Alkoholabhängigkeit im Rahmen der medizinischen ambulanten Rehabilitation. Außerdem unterstützen die Fachkräfte Angehörige von Abhängigen und schulen Unternehmen und Einrichtungen im Umgang mit Suchtfragen und übernehmen Aufgaben der Suchtprävention.
Erfolgsgeschichten aus der Ambulanten Reha der Fachstelle Sucht

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